Alle Facetten purer Lebenslust

Reise - 02.04.2015 - Michael Ellenbogen BA, MA

Der „Magnolienpfirsich“ spricht reiselustige Leser aller Generationen an, wobei nicht nur neue Sehenswürdigkeiten bereits bekannter Destinationen vorgestellt werden, sondern auch so manches Kleinod, dass bisher kaum bekannt war und gerade deshalb den richtigen Rahmen für einen Erholungsurlaub, einen Kuraufenthalt oder eine Städtereise anbietet. Die spanische Hauptstadt Madrid bietet seinen Besuchern immer wieder neue Besichtigungshighlights an, die das Flair dieser Weltstadt einmal mehr unterstreichen.

Jede europäische Metropole hat ihren Charakter, ihr unverkennbares Profil und repräsentiert durchaus auch bestimmte Klischees. Die spanische Hauptstadt ist dagegen gänzlich anders und beim ersten Besuch gar nicht zu fassen, so unterschiedlich, bunt, laut, energiegeladen und gleichzeitig erhaben, still und nobel. Um Madrid kennenzulernen muss man  einfach öfter kommen, soviel steht fest.

Catedral Nuestra Senora de la Almudena

Ungeduldig blickte Manuel zum Ausgang, seine Gäste ließen ihn warten, er fuhr sich ab und zu durch sein dichtes schwarzes Haar. Er stand neben der geöffneten Türe des Kleinbusses, dessen Fahrer sich ausschließlich auf sein Smartphone konzentrierte. Endlich kamen sie die Neuankömmlinge, neugierig, erwartungsvoll, manche auch etwas nervös. Ein junger Mann hielt ein Wörterbuch in der Hand. . . . .“Buenos dias signores e signoras – Guten Tag meine Damen und Herren, ich spreche auch Deutsch, mein Name ist Manuel und ich werde Sie die nächsten Tage durch meine Heimatstadt Madrid begleiten,“ der aufgeweckte Madrilene erntete ungeteilte Aufmerksamkeit und Beifall, während sich der Bus durch Stau auf der Stadtautobahn in Richtung Zentrum quälte. Das mehrmalige ruckartige Bremsen riss so manchen der nach dem Flug müde gewordenen Reisenden aus dem wohlverdienten Nickerchen. Einige der Mitfahrenden blickten gebannt auf die eindrucksvolle und stetig näher rückende Skyline von Madrid, eine Metropole, die im 9. Jahrhundert aus einer maurischen Festung entstanden ist. Das stattliche Bollwerk mit seiner weitläufigen Anlage, auf dem später der Palast der spanischen Könige errichtet wurde, trug die Bezeichnung „Magerit“, gewissermaßen die „Urzelle“ einer der schönsten und repräsentativsten Städte des Kontinents. Vor dem unscheinbar wirkenden Hotel Quatro Puerta del Sol hielt der Bus, ein älteres Gebäude, das mit seiner neuen, sehr zeitgemäßen und unaufdringlichen Einrichtung die bunte Schar der Besucher aus vielen Ländern größtenteils begeisterte. Das Haus liegt zentral und bietet einen herrlichen Panoramablick über die City und in den Zimmern mit Balkon ist an Frühsommertagen ein Frühstück am Balkon ein romantischer Startup in einen erlebnisreichen Tag. Die diskrete Unterkunft liegt nur rund eine 1 Minute von einem der repräsentativsten Plätze von ganz Spanien, der Puerta del Sol, dem „Tor zur Sonne“ von dem aus eine der schönsten Stadttouren beginnt, bezeichnenderweise beim Nullkilometerstein von dem  an die Entfernung der wichtigsten Straßen durch das große südwesteuropäische Land gemessen werden. „Sie sehen die Skulptur des Bären am Erdbeerbaum, eines der bekanntesten Werke des spanischen Bildhauers Antonio Navarro Santafé, ein Künstler, der größtenteils hierzulande bekannt ist, repräsentiert in bestimmter Weise die Lebenslust und die Fruchtbarkeit,“ merkte Miguel beim Rundgang über das weitläufige Areal an. 

Catedral Nuestra Senora de la Almudena

Für die bereits hungrige Gemeinschaft von Freunden der Stadt von nahezu allen Kontinenten hatte der Stadtführer eine besondere Delikatesse parat: Churros, eine Art langgezogenes Gebäck, das zwar hervorragend mundet, von dem man jedoch ob seiner Üppigkeit meist nicht mehr als zwei Stück konsumieren kann. Die von nun an gelabten großstädtischen „Wandersleut“ bewegten sich gemächlich durch die noble Calle Arenal, einer Fußgängerzone mit einem glatten, schachbrettartigen Bodenbelag, in der sich viele kleine aber feine Geschäfte und einige repräsentative Bars sowie Restaurants befanden. Die Straße führt zum berühmtesten Kloster des Augustinerordens auf der iberischen Halbinsel, der Real Monasterio de Encarnación, einem eher bescheiden wirkenden sakralen Bauwerke in Madrid, das übrigens von der österreichischen Erzherzogin Margarete gegründet wurde. Der prächtige Hochaltar sowie die prächtige Kuppel mit dem Fresko eines der berühmtesten Vertreters des spanischen Klassizismus, Francisco Bayeu y Subias zog die meisten Betrachter in seinen Bann. Von der Beschaulichkeit dieses Ortes der Einkehr bot die Plaza de Oriente zweifellos ein Beispiel der zeitlos wirkenden Monumentalität spanischer Architektur beim Anblick des Palacio Real, dem königlichen Refugium sowie einer Weihestätte spanischer Bühnenkunst, dem Teatro Real, das sich nun seit 18 Jahren zu einer der berühmtesten Opernbühnen der Welt entwickelt hat. Die Kathedrale La Almudena lässt sich optisch, gewissermaßen auf den ersten Blick, nicht aus dem Ensemble des Königspalastes herauslösen, doch an diesem prunkvollen Gotteshaus wurde nahezu 200 Jahre gebaut, ehe der neoklassizistische Bau zur Kirche des Bischofs von Madrid erhoben wurde. Die Gestaltung des Kirchenschiffs, des Altars und der Kuppel präsentiert mit den Malereien von Francisco José Gómez Argüello Wirtz ein zeitgemäßes, durchaus sympathisch wirkendes Farbenpotpourri. Die Digitalkameras und die Smartphones klickten im Takt, die meisten Globetrotter hielten gleich nach dem Betreten der Kirche Ihre Geräte in die Höhe. Die Kühle der Baulichkeit wirkte in Symbiose mit den bunten Ikonen beruhigend auf das Gemüt, einige Minuten Verweilzeit ehe die nächste Sehenswürdigkeit der Tour in Augenschein genommen wurde, taten gut. Die wenigen Reste der maurischen Vergangenheit Madrids sind eigentlich nur in der Cuesta de la Vega zu sehen, einem schmalen Gässchen, eigentlich einem unbefestigten, steilen Weg, der durch die massiven Reste der Stadtmauer der Zitadelle Mayrit begrenzt wurde. Die spanische Hauptstadt wird städtebaulich durch mondäne Plätze beherrscht. Ein besonderes und noch dazu mit der österreichischen Geschichte in Zusammenhang stehendes Beispiel ist die Plaza de la Villa, die im „habsburgischen Madrid“ beheimatet ist. Dominiert wird das Areal von der Statue des Admirals und Kommandanten der Flotte im 16. Jahrhundert, Àlvaro de Bazán. Die beiden den Platz beherrschenden Gebäude, die Casa de la Villa, ehemals als Gefängnis genutzt schenkte dem Ort seinen Namen. 

Colegiata de San Isidro

In der angrenzenden Casa de Cisneros kommen Freunde kostbarer Gobelins auf Ihre Rechnung. Von der architektonischen Gestaltung her wirkt der Bau wie ein Palast, der um das Jahr 1550 errichtet wurde, tatsächlich handelt es sich aber um einen im 20. Jahrhundert nach alten Plänen errichteten Nachbau. Ganz in der Nähe kommen Gourmets und Freunde edler Tropfen auf ihre Rechnung. In der Cava de San Miguel laden zahlreiche kleinere und größere Gasthäuser sowie Restaurants zur Stärkung und zum Kennenlernen einiger typischer Spezialitäten der Stadt ein, auf der deren Speiseplan eher Suppen oder Eintopfgerichte dominieren, wie die „Cocido de Madrileno“, eigentlich ein komplettes Menü, bei dem zuerst die Suppe, dann auf einer eigenen Platte Gemüse und schließlich zu guter Letzt das Fleisch serviert wird. Diese Speise lässt sich als schmackhafte Symbiose eines typisch spanischen Gerichtes aus dem Mittelalter, der olla podrida“ sowie des von den Juden in der Regel vor dem Sabbat zubereiteten „adafaina“. Doch man sollte sich noch Hunger für andere Orte und Spezialitäten aufheben. Einer der edelsten Plätze, die man mit den Prädikat „herrschaftlich“ bezeichnen kann, ist die Plaza Mayor, der auf allen vier Seiten von gleich hohen Gebäuden mit einheitlich rötlich-brauner Fassadenfärbung und Balkonen abgrenzt ist. Das mitten auf der weitläufigen Fläche stehende Denkmal von Philipp dem III. zu Pferd wirkt eher klein und steht daher nicht im Fokus des Betrachters. Das gegenwärtige Aussehen des Platzes und der Gebäude wurde in den 1960er Jahren realisiert. Doch gerade an diesem Platz lässt sich die „blaue Stunde“ besonders romantisch bei einem Glas Sangria genießen und wer noch Hunger hat, dem sei die Spezialität „Bocadillo de Calamares“ empfohlen, ein frisches, knuspriges Gebäckstück, das einem Baguett ähnlich sieht und mit knackigen Ringen der Calamares (Tintenfische) belegt ist, eine würzige und durchaus angenehm sättigende Köstlichkeit. Eine weitere „Plaza“, die es durchaus wert ist kennengelernt zu werden, nennt sich „La Provincia“ und dort ließ Spaniens König zu Beginn des 17. Jahrhunderts den Palast Santa Cruz errichten, in dem der Herrscher das Hofgefängnis unterbringen ließ. Gegenwärtig befindet sich in diesem historischen Gebäude das „Ministerio de Asuntos de Exteriores y de Cooperation“, also das spanische Außenministerium untergebracht ist. 

Plaza de Espana

Zwei der wichtigsten und eindrucksvollsten Institutionen der bildenden Kunst Spaniens, die ein wesentliches Fundament der europäischen Kulturgeschichte darstellen, der Prado und insbesondere auch das Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia, das Nationalmuseum Spaniens, das sich bei der Präsentation seiner Sammlungen ausschließlich auf die berühmten Maler des 20. Jahrhunderts, wie Juan Miro, aber auch auf Pablo Picasso und Salvador Dali ebenso wie auf die spanischen Vertreter der bildenden Kunst der Gegenwart ausgerichtet ist. 

Plaza de Espana Don Quijote and Sanco Panza

Wer die Architektur des modernen Madrid des 20. Jahrhunderts sucht, der wird auf der Plaza de Espana fündig werden. Die zwei ältesten und bauhistorisch ältesten Wolkenkratzer Spaniens stehen an diesem Ort und sind für Freunde der Architekturgeschichte wichtige Meilensteine der iberischen Formensprache bei der Gestaltung Madrids. Einer der berühmtesten Dichter dieses Landes mit Weltruf, Miguel Cervantes de Saavedra schrieb mit „Don Quijote von der Mancha“ einen der berühmtesten Romane der Weltliteratur, der mit seinen beiden Helden auf diesem Platz mit einem Denkmal verewigt wurde. „Der Dichter blickt nahezu emotionslos in sein Buch, in Wirklichkeit denkt er wahrscheinlich regelmäßig an die beiden Protagonisten seines Werkes,“ lässt Manuel sein Auditorium mit einem Lächeln auf den Lippen wissen, ehe er seine Gruppe an diesem zu Ende gehenden Tag in einen spannenden Abend entließ.

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Der Autor dieses Artikels
Michael Ellenbogen BA, MA
Michael Ellenbogen
Michael Ellenbogen BA,MA, geboren in Wien, seit 1993 als freier Journalist in Wien tätig, hat Politikwissenschaft in Wien studiert und das interdisziplinäre Studium der Balkanwissenschaften abgeschlossen.