Brioni - Von der Hölle zum Paradies

Geschichte - 12.09.2016 - Michael Ellenbogen BA, MA

Smaragdengleich legen sich 14 Eilande in den Blick des Betrachters, zunächst aus der Vogelperspektive während eines Rundfluges. Die farbenprächtige Idylle täuscht allerdings gewaltig.

Smaragdengleich legen sich 14 Eilande in den Blick des Betrachters, zunächst aus der Vogelperspektive während eines Rundfluges. Die farbenprächtige Idylle täuscht allerdings gewaltig. Man schreibt das Jahr 1890 als der eine oder andere Kapitän das Ansinnen erlebnishungriger Sommerfrischler nach einem Ausflug zu den Brioni-Inseln wortgewaltig verurteilt: „In die Malaria-Sümpfe, nein Gott bewahre! Es wären da noch andere Destinationen, wie ein Besuch in das benachbarte Rovigno, heute Rovinj. Das wäre doch eine dankbare Alternative. . .“ 

Bei den meisten Gästen fruchteten die eindeutigen Argumente der erregten Seemänner. Selbst erfahrene Offiziere der K. u. K. Kriegsmarine mieden die Nähe der scheinbar verwunschenen Inseln. Der Kanal von Fazana wurde daher also nur in wirklich dringlichen Fällen überquert, so auch als der vormalige Generaldirektor der Eisen- und Stahlwerke Ternitz, Paul Kupelwieser die Inseln in Augenschein nahm und prompt Opfer der Anopheles-Mücke wurde. Der Unternehmer erkrankte an Malaria, hielt aber dennoch eisern an seinem Ziel fest, vor allem die Hauptinsel, Veli Brijuni zu einem luxuriösen Erholungsort für die Adeligen und Begüterten zu gestalten. Das schwor sich die willenstarke Persönlichkeit auch in Augenblicken als Fieberschübe und Schüttelfrost sein Bewusstsein einzutrüben drohten. Der Kaufpreis von 75.000 Gulden war eigentlich keine wirkliche Hürde, eher schon die Erstellung einer erfolgreichen Strategie zur endgültigen Bekämpfung der heute noch lebensgefährlichen Seuche. Dr. Robert Koch, seines Zeichens Mikrobiologe und Arzt war in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts eine ausgewiesene Kapazität in der Seuchenbekämpfung. Kupelwieser animierte den aus Preußen stammenden Geheimrat zu einem Forschungsprojekt. Der Wissenschafter bestand auf die Behandlung der spärlichen Inselbevölkerung mit Chinin, er nannte es die „durchgehende Chininisierung“ der 300 Bewohner, die in den Herbst- und Wintermonaten durchgeführt wurde. Im darauf folgenden Frühjahr bestätigte sich die These Kochs, in der die Insekten keine Parasiten aus dem menschlichen Blut mehr aufnehmen konnten. 

Die Gefahr der Neuerkrankungen wurde durch das erfolgreiche Experiment gebannt. Erst danach wurden große Mengen Petroleum über die Sümpfe gelehrt, um die Insektenlarven zu vernichten, ehe die vollständige Trockenlegung mit einer Heerschar von Arbeitern in Angriff genommen wurde. Robert Koch richtete nach der Kultivierung der Insel ein kleines Forschungszentrum ein, in dem junge Ärzte vor ihrem Einsatz in den deutschen Kolonien ausgebildet wurden. Die ersten beiden Mediziner, die Brioni betraten waren die Assistenten Kochs, Dr. Frosch und Dr. Elsner, die ihren ersten Versuch bei einem Kellner des kleinen Hotels, in dem sie abgestiegen waren, vornahmen. Durch eine mikroskopische Untersuchung, die als „Dicker Tropfen“ bezeichnet wird, ließ sich der Malaria-Erreger im Blut des Mannes nachweisen, ebenso wie in der Analyse einiger erschlagener Exemplare der Anopheles-Mücke, die zu jener Zeit die Herrschaft über Brioni innehatte. Nach der Entseuchung der Insel ließ Paul Kupelwieser eine Wasserleitung vom Festland her errichten, erweiterte und modernisierte die Hafenanlagen. 

Nach und nach entstanden mondäne, herrschaftlich anmutende Refugien, die von Erzherzog Franz Ferdinand ebenso wie von Kaiser Wilhelm II. besucht wurden. Das sinnliche Ambiente führte auch Musiker, Schriftsteller, und Schauspieler auf das Eiland. Thomas Mann verbrachte 1911 mit seiner Frau Katja einige Zeit auf Brioni, als er an „Felix Krull“ arbeitete. Er suchte die Stille der kleinen Wäldchen in Ufernähe, konnte sich aber mit dem Ambiente niemals innerlich vereinen. Ein anderer Literat, Fritz Herzmanovsky-Orlando suchte kurz vor dem 1. Weltkrieg die Insel auf und analisierte jene näselnde Wiener Oberschicht, die ihn stetig leicht erregte. Er fand eine Welt der Gegensätze, gewissermaßen Schnittstellen einer degenerierenden Historie vor, unbarmherzige Kontraste, die er verbal entblößte und in seinem Werk Scoglio Pomo oder Rout am Fliegenden Holländer verewigte.

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Der Autor dieses Artikels
Michael Ellenbogen BA, MA
Michael Ellenbogen
Michael Ellenbogen BA,MA, geboren in Wien, seit 1993 als freier Journalist in Wien tätig, hat Politikwissenschaft in Wien studiert und das interdisziplinäre Studium der Balkanwissenschaften abgeschlossen.