Die Blütezeit der österreichischen Automobilbaukunst
Von der Ära der großen Marken zu den High-Tech-Produkten der Gegenwart
Klein- und Mittelklassewagen, ja sogar Luxuslimousinen aus Österreich? Handelt es sich etwas um eine Science Fiction Story, nein, sondern vielmehr um wertvolle Begleiter einer lehrreichen und faszinierenden Zeitreise in eine Epoche als in der Alpenrepublik noch international anerkannte Automarken, wie Steyr oder Gräf & Stift gebaut wurden. Die Ära in der Österreich am europäischen Automarkt mit damals hoch modernen Fahrzeugen konkurrieren konnte, sind leider längst vorbei. So wie die Augenblicke in denen liebevoll restaurierte Modelle, wie der berühmte Steyr 220 oder der mächtige Gräf & Stift SP 8 Pullmann, den man auch den „Österreichischen Rolls Royce“ bezeichnete.
Dem von den Folgen des I. Weltkrieges gezeichneten Landes gelang es trotz der wirtschaftlichen und politischen Krisen in den 20er und 30er Jahren eine international anerkannte Autoindustrie aufzubauen, die bis zum Beginn des II. Weltkrieges auch ihre Exportmärkte hatte. Die Fahrzeuge gehörten in den 50er und 60er Jahren in vielen europäischen Städten zum Straßenbild, selbstverständlich auch in Wien. Die Luxus-Personenwagenmodelle der Marke Gräf & Stift wurden in kleinen Stückzahlen gebaut und dienten der Imageförderung. Der kommerzielle Erfolg stellte sich leider auch nicht ein. Mit der Besetzung Österreich durch das Deutsche Reich 1938 war Gräf & Stift außerdem gezwungen den „Schell-Plan“ zur Reduktion der Typenvielfalt umzusetzen. Mit der Regelung des Oberst Adolf von Schell sollte die Reduzierung der Vielfalt der Fahrzeugtypen deutscher und österreichischer Hersteller im Sinne einer kriegswirtschaftlich effizienten Produktion erreicht werden. Dennoch hatten die stromlinienförmigen und mit nach damaligen Stand modernster Technik ausgestatteten Fahrzeuge nicht nur im In- und Ausland einen hervorragenden Ruf, vor allem wegen ihrer Zuverlässigkeit. Die Palette der Steyr-Personenkraftwagen wurde in den 30er Jahren in relativ geringen Stückzahlen gebaut und im Vergleicht zu Konkurrenzmodellen relativ teuer, obwohl moderne Produktionstechnologien zum Einsatz kamen. Die Produkte der Steyr-Werke, insbesondere die Modelle der PKW-Palette erhielten eine staatliche Exportförderung um zu den dringend benötigten Devisen zu kommen. Um den Absatz ihrer PKW-Modelle zu steigern, entwickelte sie eine moderne Marketingstrategie, die auch alle ausländischen Märkte mit einschloss. Die Fahrzeuge der österreichischen Qualitätsschmiede wurden allerdings auch sehr werbewirksam eingesetzt. Die Errichtung der Großglockner-Hochalpenstraße war für die damalige Zeit und die wirtschaftliche Situation des Landes eine Art Monumentalbau, das bis heute seine Attraktivität beibehaltet hat. Im September 1934 befuhr ein unerschrockener Fahrer mit seinem Steyr 100 die noch unfertige Alpenstraße mit all ihren Tücken. Ohne Zwischenfälle absolvierte der Wagen die „Teststrecke“ auf den höchsten Berg der Alpenrepublik. Doch noch weitaus plakativer im Hinblick auf den Werbewert war die Weltumrundung des Max Reisch, der ebenfalls einen Steyr 100 wählte und mit diesem Auto sowohl den Nahen- als auch den Fernen Osten durchquerte, ehe er sich und sein Fahrzeug in die USA verschiffen ließ. Dort ging dann die Reise weiter. Max Reisch durchquerte den Kontinent und ließ sich mit dem deutschen Ozeanriesen „Bremen“ wieder nach Europa bringen. Natürlich wurden die Reisen von Max Reisch werbewirksam genützt und beeinflussten schließlich auch den Autoabsatz der Marke Steyr positiv. Der Steyr 100 verfügte über einen 1,5 Liter Motor, der 35 Pferdestärken leistete und damit als Mittelklassefahrzeug gewertet wurde. Mit dem Steyr 220 brachte der österreichische Fahrzeughersteller ein für die damalige Zeit überdurchschnittlich modernes Auto der gehobenen Mittelklasse auf den Markt, der besonders in Deutschland reges Interesse erweckte und in größeren Stückzahlen verkauft wurde. Die Modellpalette des österreichischen Automobilherstellers bot noch einige Fahrzeuge an, die durch ihre damals eher konservative Linienführung als weniger herausragend im Vergleich zu den stromlinienförmigen Konstruktionen wie dem Steyr 100 oder dem Steyr 200 oder gar dem Steyr 220 angesehen wurden: Der Steyr 430, der aber durchaus ein zuverlässiger Wagen mit einem im gebirgigen Gelände sehr beständigen 6-Zylinder Motor ausgerüstet war. Mit einigen technischen Veränderungen wurden zwischen 1935 und 1939 die Modelle Steyr 530 und Steyr 630 gebaut. Eine technische Innovation im Segment der Kleinwagen war der Steyr 50 „Baby“, der vom österreichischen Konstrukteur Karl Jenschke entwickelt wurde. Das „Baby“ war ob seiner runden Form dem ein paar Jahre später folgenden ersten Volkswagen sehr ähnlich, hatte aber einen Frontmotor. Der Steyr 50 und dessen Nachfolger Steyr 55 erfreuten sich großer Beliebtheit. Die Produktion des erfolgreichen Modells wurde, sowie auch aller anderen Personenkraftwagenmodelle von Steyr zu Beginn der 1940er Jahre eingestellt.
Einige Jahre nach dem Ende des II. Weltkrieges wurde bei Steyr zunächst die Produktion von Lastkraftwagen mittlerer Größe der bekannten Typen Steyr 370 und Steyr 380 aufgenommen. Das Konzernmanagement berücksichtigte den Trend der steigenden privaten Motorisierung in Österreich und ging mit Fiat S.p.A. eine Kooperation ein, bei der Steyr zunächst die Motoren entwickelte und die Karosserien ebenso wie die Chassis aus Turin geliefert wurden. Zu Beginn der 1960er Jahre übernahm Steyr-Daimler-Puch die Rolle des Generalimporteurs für die Modellpalette der „Fabricca Italiana Automobili Torino“. Die in Österreich verkauften Fahrzeuge trugen die Bezeichnung „Steyr-Fiat“. Ein Kleinwagen, der gerne als Symbol für das österreichische Wirtschaftswachstum bezeichnet wurde, der Steyr Puch-500 wurde zwischen 1957 und 1974 gebaut. Der unverwüstliche Zwerg, der in der Version Steyr-Puch 650 TR auch unglaubliche 41 PS auf die Straße brachte, wurde manchmal auch gerne als „Rennsemmel“ bezeichnet. Die Steyr-Werke verlagerten ab Mitte der 1960er Jahre ihren Produktionsschwerpunkt auf den Bau von Lastkraftwagen sowie Geländefahrzeugen. Der legendäre Puch Haflinger leistete nicht nur beim Bundesheer sowie bei der Gendarmerie und der Post zuverlässige Dienste, sondern auch bei vielen privaten Besitzern, die manchmal heute noch mit ihren mittlerweile zu Oldtimern gewordenen Autos im Gelände und auf der Straße unterwegs sind. Der Bedarf des Bundesheeres nach einem größeren und stärkeren Geländewagen aus österreichischer Produktion bedingte die Entwicklung des Steyr Puch Haflingers, der nicht nur vom heimischen Militär in größeren Stückzahlen gekauft wurde, sondern auch von anderen Armeen. Die Produktion in Österreich wurde im Jahr 2000 eingestellt und wird noch in Großbritannien weitergebaut. Auch der Puch G, der ab 1972 auf der Grundlage eines Joint-Ventures zwischen Steyr-Daimler-Puch und Daimler-Benz entstand, bewährte sich als Militärfahrzeug ebenso wie bei Geländewagen-Enthusiasten in aller Welt. Der Wagen wurde im Laufe der vergangenen Jahre und Jahrzehnte den technischen Anforderungen der Zeit angepasst und als Mercedes-Benz G verkauft. Was wurde aus der einst stolzen österreichischen Automobilindustrie? Bereits Ende der 1970er war Österreich wegen seiner zuverlässigen Arbeitskräfte und dem hohen Qualitätsniveau für große Autohersteller wie BMW und General-Motors interessant. Die Bayrischen Motorenwerke unterzeichneten 1978 mit Steyr-Daimler-Puch einen Kooperationsvertrag. Der BMW-Standort in Steyr ist heute eine der Säulen der Motorenproduktion des deutschen Fahrzeugproduzenten.
Auch General-Motors ließ in Wien, genauer in Aspern, dem 22. Wiener Gemeindebezirk ein Motorenwerk errichten, das in erster Linie Motoren für sämtliche Opel-Modelle fertigte und als Opel Wien GmbH auch weiterhin die Antriebseinheiten für die Automarke baut. Die Magna-Steyr AG & Co KG, die aus dem Steyr-Daimler-Puch Standort Graz hervorging und gegenwärtig als der wichtigste Produktionsstandort des international tätigen Unternehmens zu bezeichnen ist, produziert gegenwärtig weiterhin den Mercedes-Benz G ebenso wie den Mini Countryman, den Mini Paceman sowie das Sportcoupé Peugeot RCZ. Überdies wurde das Fahrzeugkonzept MILA mit Erdgasantrieb entwickelt. Österreich war immer ein Land automobiler Innovationen.
Das Unternehmen E-volution Elektromobilitätskonzepte im steirischen Stainz produziert Elektrofahrzeuge der Type Jetflyer mit Radnabenmotoren, die weltweit großes Interesse hervorrufen. Der äußerst erfolgreiche Motor- und Fahrradhersteller KTM präsentierte mit dem X-Bow einen Supersportwagen der alle Ansprüche in diesem Fahrzeugsegment mehr als erfüllt. Im Nutzfahrzeugbereich ist die MAN-Österreich der größte Hersteller von Lastkraftwagen und Bussen in Österreich, dessen Werke in Steyr und Wien beheimatet sind. Das Werk in der Brunner-Straße im 23. Wiener Gemeindebezirk war früher ein Produktionsstandort der ÖAF Gräf & Stift AG (Anm. ÖAF die Abkürzung für Österreichische Automobil Fabrik). Bei jeder Reise durch Österreich waren Traktoren der Marke Steyr allgegenwärtig. Die Traditionsmarke wird als Teil der CNH Industrial Corporation mit Hauptsitz in London, der auch die Traktorenhersteller Case angehört am ursprünglichen Produktionsstandort im oberösterreichischen St. Valentin weitergeführt und baut die Traktoren auf dem modernsten Stand der Technik.
Die Kässbohrer Transporttechnik in Eugendorf bei Salzburg hat sich auf die Herstellung von Fahrzeugtransportern spezialisiert. Auch die Reform-Werke der Bauer & Co GmbH in Wels stellen seit dem Jahr 1910 landwirtschaftliche Maschinen her und haben sich auf die Produktion von Fahrzeugen für die Landwirtschaft und kommunale Einsatzbereiche spezialisiert. Das im Tiroler Kundl ansässige Familienunternehmen Lindner stellt seit 1948 Traktoren sowie Fahrzeuge für den landwirtschaftlichen Gebrauch her und exportiert seine Produkte in die meisten Länder Europas. Die Automobilindustrie in Österreich erlebt am Beginn des 21. Jahrhunderts ihren 2. Frühling und besticht mit ihrer innovativen und gleichzeitig hochqualitativen Vielfalt an Fahrzeugtechnik.