Die charmanten Phantasiewelten einer sensiblen Dame
Gefühle, Schicksale, Bindungen und sinnliche Landschaften als Bühne für Romane in denen Menschen den Sinn ihrer Existenz erkennen. Die Schweizer Schriftstellerin Margot S. Baumann lädt ihre Leser in spannende sowie liebenswerte Lebenswelten. Die Macht der feinen Wortwahl, wie in ihrem aktuellen Werk „Das Erbe der Bretagne“ mobilisiert die Fantasien gefühlsaffiner Buchliebhaber. Im Magnolienpfirsich präsentiert Michael Ellenbogen ein umfassendes Interview mit der Autorin.
Maragot Baumann im Interview
Michael Ellenbogen: Eine ausgeprägte Phantasie ist die wichtigste Grundlage für schöne Geschichten. Sie haben schon als Kind Ihre Inspirationen niedergeschrieben. Erzählen Sie mir bitte ausführlich über diese Ära.
Margot S. Baumann: Meine früheste Erinnerung an einen selbstgeschriebenen Text, für den ich von meiner Grundschullehrerin ein Lob bekommen habe, war die Geschichte von einer Freundschaft zwischen einer Katze und einem Hund. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob ihr die dazugehörige Zeichnung nicht besser gefallen hat, als die paar Sätze. Schließlich hatten wir damals erst das Alphabet gelernt. Die Erfahrung jedoch, dass jemand, der nicht zu meiner Familie gehört, dem, was ich mir ausgedacht habe, etwas abgewinnen konnte, hat mich tief beeindruckt. Wer weiß, vielleicht wurde damals der Grundstein zu meiner schriftstellerischen Tätigkeit gelegt.
Michael Ellenbogen: Ein Meilenstein Ihrer kindlichen Vorstellungswelt war jene Story, die Sie Ihrer Lehrerin erzählt haben: Ihre Eltern haben Sie „Fahrenden“ abgekauft, wie es auf Ihrer Homepage nachzulesen ist. Wie haben die Lehrerin und Ihre Eltern auf diese Aussage reagiert?
Margot S. Baumann: Ich habe, kaum dass ich lesen konnte, Bücher geradezu verschlungen und konnte dann oft nicht unterscheiden, was wirklich war oder was ich nur gelesen hatte. Meine Lehrerin, dieselbe übrigens, wie oben beschrieben und meine Eltern haben das vermutlich mit Humor ertragen. Jedenfalls kann ich mich nicht daran erinnern, dass es irgendwelche Konsequenzen gegeben hat.
Michael Ellenbogen: Haben Ihre Eltern Ihr Talent sowie Ihre Neigung gefördert und hatten sie Verständnis für Ihre Entwicklung, oder gab es diesbezüglich auch Kommunikationsschwierigkeiten?
Margot S. Baumann: Als Teenager habe ich Tagebuch geführt und wäre vermutlich vor Scham im Boden versunken, wenn meine Eltern diese Ergüsse gelesen hätten. Auch die wenigen Kurzgeschichten, die ich damals geschrieben habe, habe ich niemandem gezeigt. Also nein, meine Eltern wussten sehr lange nicht, dass ich schreibe. Aber wenn, hätten sie mir sicher keine Steine in den Weg gelegt.
Michael Ellenbogen: Waren Ihre Eltern streng und hatten Sie, als Sie vor dem Abschluss Ihrer schulischen Ausbildung standen, bestimmte Berufsvorstellungen betreffend Ihrer Zukunft?
Margot S. Baumann: Ich hatte eine wunderbare Kindheit und als viertes Kind auch gewisse Freiheiten, die sich meine älteren Geschwister erkämpfen mussten. Jedoch waren meine Eltern immer darauf erpicht, dass man etwas „Ordentliches“ lernen müsse. Künstlerische Berufe gehörten nicht dazu. Ich muss aber anfügen, dass ich selbst nie den Wunsch verspürte, mein Talent zum Beruf zu machen. Dieser Ehrgeiz kam erst später.
Michael Ellenbogen: Wie entsteht eine Geschichte aus der dann ein Roman wird? Sind es historische Persönlichkeiten oder Orte die für das eine oder andere Buch die Grundlage bilden, oder entsteht jedes Ihrer Werke in den Tiefen Ihrer Phantasie?
Margot S. Baumann: Das ist nicht immer gleich. Für „Die Frau in Rot“ habe ich mir zum Beispiel das Leben der Bernadine von Hallwyl „ausgeliehen“. Die Dame hat im 18. Jahrhundert auf dem Schloss Hallwyl in Seengen (Schweiz) gelebt. Dieses Wasserschloss liegt an meinem ehemaligen Schulweg und hat mich schon immer fasziniert. Als ich nach einem Schlossbesuch etwas mehr über die Bewohner recherchiert habe, stieß ich auf Bernhardine. Der Umstand, dass sie mit sechzehn Jahren einen viel älteren Mann geheiratet hat, inspirierte mich zu diesem Roman. Ansonsten sind meine Geschichten jedoch ausschließlich Gebilde meiner Fantasie. Im Gegensatz zu vielen Kolleginnen und Kollegen schwirren nicht tausend Ideen in meinem Kopf herum, es sind eher Fragmente, die sich aus Beobachtungen, Erlebtem, Gehörtem und Gesehenem zusammensetzen. Ab und zu drängt sich dann so ein Fragment in den Vordergrund. Und je mehr ich mich damit beschäftige, desto plastischer wird dieser Gedanke/ diese Idee, bis sich daraus eine Geschichte entwickelt.
Michael Ellenbogen: Ist die Recherche bestimmter Hintergründe, Orte und Handlungsabläufe ein wichtiger Bestandteil Ihrer Arbeit?
Margot S. Baumann: Auf jeden Fall. Es ist mir wichtig, dass die Fakten in meinen Geschichten den Tatsachen entsprechen. Wobei ich mir ab und zu, um der Dramaturgie Willen, etwas künstlerische Freiheit gönne. Mein Ehrgeiz besteht aber immer darin, dass ein Ortskundiger nicht in Gelächter ausbricht, wenn er einen Roman von mir liest. Ich mag es selbst nämlich auch nicht, wenn die Details in meiner Geschichte nicht stimmen. Recherchearbeit ist oft mühsam und zeitaufwendig, aber auch sehr interessant und inspirierend.
Michael Ellenbogen: Können Sie das bestimmte „Etwas“ definieren, das Ihre Romane für die Leser so interessant macht.
Margot S. Baumann: Das müssen Sie eigentlich meine Leser fragen. Erfreulicherweise erhalte ich manchmal Rückmeldungen von meinen Leserinnen und Lesern. Wenn die mir sagen, dass sie das Buch nicht aus der Hand legen konnten, bis sie wussten, wie es ausgeht, weiß ich, dass ich meinen Job gut gemacht habe. Viele bedanken sich auch dafür, dass ich Ihnen ein Land oder einen Ort mit meinem Roman so schmackhaft gemacht habe, dass sie ihn gerne besuchen würden. Ein schönes Kompliment.
Michael Ellenbogen: In Ihren Büchern geht es hauptsächlich um zwischenmenschliche Gefühle, Beziehungen, die Liebe, Hoffnungen und Wünsche. Gäbe es auch andere Genres, die Sie als Autorin umsetzen würden, beispielsweise Kriminalromane oder Science-Fiction Geschichten?
Margot S. Baumann: Ich habe ja schon einmal einen Psychothriller (memento mori) geschrieben. Sicher mein speziellster Roman. Es hat mir unglaublichen Spaß gemacht, in die Tiefen einer verlorenen Seele einzutauchen. Und in meiner Schublade schlummert eine Serie, die man unter der Gattung Spannungsroman einordnen kann. Jedoch fühle ich mich in meinem jetzigen Genre recht wohl und werde in nächster Zeit sicher auf dieser Schiene weiterschreiben. Science Fiction zu schreiben stelle ich mir wahnsinnig schwierig vor. Ganze Welten zu erschaffen – das muss unglaublich anstrengend sein. Deshalb überlasse ich das lieber den Profis.
Michael Ellenbogen: So ich in Ihrer Vita entnehmen konnte, begannen Sie Ihre schriftstellerische Tätigkeit mit der Lyrik und entdeckten dann die Prosa als für Sie geeignetste Form Ihre Inhalte umzusetzen. Ist dies Ihre persönliche und gegenwärtige Position Ihres schriftstellerischen Schaffens zu verstehen, oder werden Sie sich auch wieder der Lyrik nähern?
Margot S. Baumann: Die Lyrik könnte man als meine erste Liebe bezeichnen – und die vergisst man nicht! Das Interessante am Gedichte schreiben ist die Reduktion auf das Wesentliche. Eine ganze Geschichte auf drei Strophen à vier Zeilen zu komprimieren, ist eine Herausforderung. Dieses Korsett, so schön und kleidsam es auch ist, wurde mir aber irgendwann zu eng. Romane brauchen einfach mehr Platz. Aber ich dichte ab und zu tatsächlich noch, jedoch mehr für den Hausgebrauch. Manchmal schmuggle ich auch ein Gedicht in einen Roman, wenn es grad passt.
Michael Ellenbogen: In welcher Umgebung schreiben Sie am liebsten: Zu Hause, oder haben Sie bestimmte Orte, am Meer, in den Bergen, innerhalb und außerhalb der Schweiz, wo Sie die besten Arbeitsbedingungen vorfinden?
Margot S. Baumann: Ich schreibe am liebsten, recht unspektakulär, zu Hause an meinem Schreibtisch. Dort habe ich alles, was ich dazu benötige. Nachschlagewerke, Bücher, einen schnellen Internetzugang etc. Ich habe zwar mal versucht auf einer Urlaubsreise zu schreiben, aber da stürzen zu viele Eindrücke auf mich ein. Ich fotografiere dann lieber, sammle Empfindungen und beobachte, um das Erlebte dann in meine Geschichten einfließen zu lassen. Aber wenn mir jemand sein Haus am Meer für meinen nächsten Roman zur Verfügung stellen will, würde ich bestimmt nicht Nein sagen.
Michael Ellenbogen: Welches Ihrer Werke würden Sie als am erfolgreichsten, sowohl von der öffentlichen Wahrnehmung als auch im Bezug auf die Verkaufszahlen, bezeichnen?
Margot S. Baumann: „Lavendelstürme“ ist bis jetzt mein erfolgreichstes Buch. Es erschien in englischer, italienischer und spanischer Übersetzung. Ich bin gespannt, ob meine Provence-Geschichten auch diesem Markt bestehen kann.
Michael Ellenbogen: Sie leben in der Schweiz. Sie sind dort auch aufgewachsen. Wie beurteilen Sie das Land im Sinne der Entwicklungsmöglichkeiten für Schriftsteller und Künstler anderer Sparten?
Margot S. Baumann: Wie so oft zählt der Prophet im eigenen Land nicht viel. Will heißen, bis jetzt werde ich in der Schweiz erfolgreich übersehen. Vielleicht ist das aber auch mein Fehler. Es gibt bei uns eine Vielzahl kultureller, auch staatlich geförderter Möglichkeiten für Künstler. Sie zu kennen, zu nutzen und sie zu beanspruchen, muss wohl von jedem in die Hand genommen werden. Bis jetzt habe ich noch keine Muße, mich diesem Unterfangen zu widmen. Wenn ich Zeit habe, schreibe ich lieber, als Klinken zu putzen. Ich hoffe, das klingt jetzt nicht zu überheblich.
Michael Ellenbogen: Arbeiten Sie mit einem oder mehreren Verlagen zusammen?
Margot S. Baumann: Leider bauen heutzutage Verlage ihre Autoren nicht mehr auf. Früher gab man einem Schriftsteller etwa fünf Bücher Zeit, um Erfolg zu haben. Heute ist man nach einem Flop weg vom Fenster. Deshalb ist es fast unmöglich, nur bei einem einzigen Verlag zu veröffentlichen. Ich habe bis jetzt mit vier Verlagen zusammengearbeitet. Meist schließt man Verträge für ein bestimmtes Projekt ab, danach schauen beide Partner, ob sich eine weitere Zusammenarbeit lohnt.
Michael Ellenbogen: Sind dies Verlagshäuser in der Schweiz oder auch in Österreich sowie in Deutschland?
Margot S. Baumann: Meine Gedichte erschienen in einem Schweizer Kleinverlag. Mein Psychothriller „memento mori“ bei einem Verlag in Berlin, „Die Frau in Rot“ beim Verlag Droemer Knaur und „Lavendelstürme“, „Im Licht der Normandie“ und „Das Erbe der Bretagne“ bei Amazon Publishing. Zudem habe ich „Rigantona“, ein Schottland-Roman, und „Band des Schweigens - John A. Forunes 1. Fall“ (Serie) im Selbstverlag veröffentlicht.
Michael Ellenbogen: Kümmern Sie sich auch um das Marketing, die Werbung und den Verkauf Ihrer Bücher?
Margot S. Baumann: Nicht mehr so viel wie früher, weil ich gemerkt habe, dass mir dazu die Möglichkeiten fehlen und es auch nicht sehr viel bringt. Zudem ist es auch recht zeitintensiv. Ich betreibe eine Website, bin bei Facebook und Google+ aktiv, und versuche via dieser Seiten etwas Werbung für meine Bücher zu machen. Demzufolge bin ich froh, wenn der Verlag die Werbetrommel für mich rührt.
Michael Ellenbogen: Ihre Bücher „Die Frau in Rot“, „Lavendelstürme“ oder auch ihr letztes Werk „Das Erbe der Bretagne“ aus Ihrer Frankreich-Serie sind sehr gefühlsintensive Werke. Ist die Zeit in der Sie an einem Werk arbeiten auch von Ihren persönlichen Befindlichkeiten abhängig?
Margot S. Baumann: Nein, das kann ich sehr gut trennen. Oder anders gesagt, ich kann auch schreiben, wenn es mir nicht so gut geht. Dann einfach etwas weniger. So viel Spaß das Schreiben auch macht, es ist immer ein Job, den ich fern meiner eigentlichen Befindlichkeit, so gut wie möglich erledigen will.
Michael Ellenbogen: Der Roman „Rigantona“ beschäftigt sich mit dem Charakter Schottlands und seiner Bewohner. Haben Sie einen persönlichen Bezug zu diesem Land?
Margot S. Baumann: Tatsächlich liegen mir England, Schottland und Irland besonders am Herzen. Ich bin fasziniert von der Landschaft und den Menschen dort. Wer diese Länder schon einmal bereist hat, weiß, wovon ich spreche. Zudem liebe ich das Meer und raue Küsten. Ich bin vermutlich nur aus Versehen in einem Alpenland geboren.
Michael Ellenbogen: Wie sieht Ihr Alltag aus? Schreiben Sie jeden Tag
Margot S. Baumann: Das würde ich gern, ist mir aber finanziell nicht möglich. Ich arbeite in einer Verwaltung und kann nur am Wochenende und während meiner Ferien schreiben.
Michael Ellenbogen: Welche Arbeitsumgebung ist für Sie wichtig? Brauchen Sie Ruhe und Abgeschiedenheit, um sich auf die Arbeit an einem Buch zu konzentrieren, oder ist Ihnen die Nähe aller Ihrer Familienmitglieder wichtig, um kreativ zu sein?
Margot S. Baumann: Am liebsten zu Hause, ohne Musik und ganz allein. Meine Familie hat sich mit diesen Einsiedlerallüren arrangiert, wofür ich mich bei ihnen bedanke. Es ist sicher nicht leicht, mit einem Autor zusammenzuleben, wenn dieser gerade tief in seiner Geschichte versunken ist und es ihm egal zu sein scheint, dass eingekauft, geputzt oder die Wäsche gewaschen werden muss.
Michael Ellenbogen: Gibt es Länder und Regionen, innerhalb und außerhalb Europas, die als Schauplatz für einen Ihrer nächsten Romane interessant wäre?
Margot S. Baumann: Im Moment war Frankreich das Land meiner literarischen Arbeit. Zudem sind England, Schottland und Irland wieder ein Thema. Auch Italien reizt mich als Location für ein Buch. Oftmals schlägt auch der Verlag einen Schauplatz vor oder man orientiert sich am Geschmack der Leser.
Michael Ellenbogen: Bei der Entstehung eines Buches gibt es Phasen in denen Autorinnen und Autoren ihre Inhalte bearbeiten und verändern. Ist das bei Ihnen auch so?
Margot S. Baumann: Meist steht vor dem Schreiben eine intensive Zeit, in der man sich die Handlung, die Personen und die Orte ausdenkt. Danach wird ein Exposé verfasst und dem Verlag vorgelegt. Erst danach beginnt das eigentliche Schreiben. Nicht immer hält sich dann aber die Geschichte an dieses Gerüst und es kommt schon mal vor, dass ich davon abweiche. Gründe dafür gibt es viele. Personen, die man für Nebendarsteller hielt, erhalten plötzlich eine wichtigere Rolle. Man hat zusätzliche Ideen, die eine Geschichte spannender machen. Manchmal erscheint auf dem Papier etwas logisch, ergibt dann plötzlich keinen Sinn mehr. Dann muss man flexibel sein. Wichtig ist, dass man das Ziel nicht aus den Augen verliert. Aber so ein paar zusätzliche Schlenker sind auch für mich recht spaßig. Und Überarbeiten? Ja, das gehört einfach dazu. Ob man es nun mag oder nicht. Ich bin kein wirklicher Fan davon und hätte dafür gerne einen Assistenten. Kleiner Scherz!
Michael Ellenbogen: Würden Sie zu ausgewählten Inhalten, zu denen Sie einen persönlichen Bezug haben, auch Sachbücher schreiben?
Margot S. Baumann: Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht. Ich wüsste jetzt aus dem Stehgreif auch kein Thema, das ich der weiten Welt näher bringen könnte oder über das nicht schon wirkliche Profis ein Buch geschrieben haben.
Michael Ellenbogen: Wie lange arbeiten Sie durchschnittlich an einem Ihrer Bücher, vom ersten Gedanken bis zur Drucklegung?
Margot S. Baumann: Es kommt ein wenig auf das Thema an. Geschichten mit historischem Hintergrund erfordern eine zeitintensivere Recherche. Wie hat damals gesprochen, was getragen, was gegessen, wie gelebt etc. An einem Roman, der im Heute spielt, arbeite ich etwa ein halbes bis dreiviertel Jahr, an einem historischen Roman ein Jahr lang.
Michael Ellenbogen: Viele Dank für das Gespräch.