Eine Genussoase
Ein magisch anmutendes Gewirr aus Farben, Düften und Stimmen zieht den Städter nicht nur aus Gründen seiner Versorgungsbedürfnisse auf jene Plätze Wiens, auf denen seit Jahrhunderten Obst und Gemüse, sowie eine Vielzahl anderer Waren feilgeboten werden, sondern auch um sich von der sinnlichen Atmosphäre gefangen nehmen zu lassen. Auch ein Plauscherl mit dem Standler gehört zu einem Marktbesuch.
Mitten in der Brigittenau besteht seit 1850 ein Platz auf dem frische Früchte ebenso wie anregende Diskussionen angeboten werden: Der Hannovermarkt, der bis zum Jahre 1905 Brigittamarkt hieß, da dieser damals auf dem gleichnamigen Platz lag und 1913 seinen gegenwärtigen Standort einnahm. Die Dynamik des Marktalltages, wie das lautstarke Anpreisen der Waren durch die Standbetreiber hat sich bis heute nicht geändert. Noch in den 1960er Jahren verfügte der Hannovermarkt, dessen Name an die Hannoveraner Königsfamilie erinnert, die nach der Niederlage bei der Schlacht von Königgrätz im Preußisch-Österreichischen Krieg nach Wien zog, rund 90 Marktstände, die nach der Sanierung 2003 auf 55 Verkaufseinheiten begrenzt wurde. Dennoch fasziniert der Markt seine Besucher immer wieder mit seinem einzigartigen Flair in dem Einflüsse aus Orient und Okzident einander ergänzen. Gourmets die besondere Geschmackserlebnisse suchen werden hier mit Sicherheit fündig. Das erfrischende türkische Joghurt wird dort ebenso angeboten wie das angenehm duftende Fladenbrot direkt aus dem Backofen oder Gemüse, Wein und Bienenhonig aus biologischem Anbau.
Diese Produkte sind insbesondere an Samstagen zu erstehen, wenn Bauern aus dem Weinviertel und Marktfahrer aus der Umgebung von Wien ihre gesunden und wohlschmeckenden Erzeugnisse dem meist schon aus Stammkunden bestehenden Publikum präsentieren. Dies tun auch Matthias und Maria Hertl aus der Region Land um Laa in Niederösterreich seit 20 Jahren an 50 Samstagen im Jahr. Das Ehepaar hat sich gemeinsam mit ihrem Sohn in ihrem Landwirtschaftsbetrieb auf die Kartoffel-, Zwiebel- und Gemüseproduktion spezialisiert. „Alle unsere Produkte, die wir hier verkaufen, sind zu 90 Prozent aus eigenem Anbau,“ versichert Matthias Hertl. Die Familie kommt, außer in der Erntezeit, gänzlich ohne Mitarbeiter aus und bereitet die sorgfältige Auswahl der Lebensmittel während der Woche für ihren Stand am Hannovermarkt vor. Ob in der Hitze des Sommers oder in der klirrenden Kälte winterlicher Samstage, stehen die Hertls immer an ihrem Stand und bieten ihre stets frischen Waren an. Doch kalte Tage haben ihre Grenzen. „Ab Minus 3 Grad bleiben wir zu Hause, denn bei diesen Temperaturen frieren unsere Waren und sind nicht mehr verkaufbar,“ weiß der erfahrene Marktfahrer zu berichten.
Die meisten Bewohner des 20. Bezirkes, besonders jene die rund um den Brigittaplatz wohnen, könnten sich ein Leben ohne dieser historisch bedeutsamen Einrichtung nicht vorstellen, die auch soziale Aufgaben erfüllt, um die Verbindung zwischen den Marktbesuchern und den Kaufleuten zu vertiefen. Gemäß dem bekannten Sprichwort: „Man soll die Feste feiern wie sie fallen,“ gibt es am Hannovermarkt das ganze Jahr über anlassbezogene Spektakel, wie Faschingsumzüge oder Festivitäten, die das Frühjahr, den Sommer oder den Herbst mit ihren spezifischen Produkten willkommen heißen. Dabei lernen einander Angehörige mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen besser kennen. Dieser Markt lässt sich als sympathischer Schmelztiegel verschiedenster ethnischer Einflüsse bezeichnen, die einander bereichern. Dennoch unterliegt die öffentliche Einrichtung einer amtlichen Verwaltung und Kontrolle, die der Magistratsabteilung 59, dem Marktamt der Stadt Wien, obliegt. Für zeitweilig auftretende Meinungsverschiedenheiten und Kommunikationshindernisse ist der Marktbeirat als Teil der Bezirksvorstehung zuständig.
Infos:
Mo-Fr: 6:00 - 19:30 und Sa: 6:00 - 18:00 Uhr
Bauernmarkt: Sa: 6:00 - 15:00 Uhr
Gastronomie: Mo-Sa: 6:00 - 21:00 Uhr