Maghrebinischer Ursprung in mediterraner Aura
Der südeuropäische Inselstaat Malta fasziniert durch seine facettenreiche Historie und der daraus resultierenden Vielzahl an Bauwerken. Die außergewöhnliche Inselwelt lädt zum Träumen und Genießen ein
Mit einem farbenfrohen Sonnenuntergang verabschiedete sich der Tag an der St. Paul´s Bay im Nordwesten des Eilandes. Eine leichte Brise umspielt Nase und Lippen, kleine weiße Schaumkrönchen schmücken das sich in einem Farbenpotpourri von Tiefblau über Türkis bis Hellgrün präsentierende Meer. Diese Augenblicke animierten zum längeren Verweilen, doch der Abend lässt nicht lange auf sich warten. Die Fahrt über die enge und kurvige Landstraße ist bei Nacht und Linksverkehr nicht unbedingt ratsam. Das spärliche Tageslicht ausnützend, bestieg man den am Straßenrand stehenden Mietwagen. Das Gefährt sprang nicht mehr an, augenscheinlich gefiel ihm sein „Parkplatz“. Man stand am Straßenrand und versuchte per Handy mit der Autovermietung Kontakt aufzunehmen. Niemand hob ab. . .
Die Malteser sind hilfsbereite Menschen: Ein junges Ehepaar hielt an und ließ die „Gestrandeten“ einsteigen. Lisa und Jacob boten Mineralwasser und Fruchtsaft aus Plastikflaschen an. Die ältere Limousine rumpelte über so manche Querrille. Schnellfahren ist in Malta weder möglich noch erlaubt. Die hell erleuchtete Silhouette Vallettas nährte die Vorfreude auf einen gemütlichen Abend. Die Mittelmeer-Metropole hebt sich majestätisch vom spärlich beleuchteten Umland ab. Jacob quälte sich hochkonzentriert durch die schmalen und mäßig beleuchteten Gassen der Altstadt. Lisas Augen strahlten als sie ihren Fahrgästen die gehobene Kaffeehauskultur ihrer Hauptstadt näherbrachte: „Unser altehrwürdiges Caffe Cordina wird euch gefallen,“ sagte sie dezent. Es ist eine Baulichkeit mit nahezu mondänem Charakter im neoklassizistischen Stil mit Gemälden an den Gewölben. Das Ambiente bewegt sich auf dem schmalen Grat zwischen Kitsch und Kunst. Die Speisekarte lockt mit einem Überangebot an Mehlspeisen und anderen Köstlichkeiten. Doch eine Erfrischung, ein Bier, ein Glas vom heimischen „Cisk“ Lager war das Gebot der Stunde.
Das kühle Getränk belebte die Sinne und schärfte das Interesse an einer kurzen Lektion Stadtgeschichte, die der junge Gastgeber, Angestellter der Regionalverwaltung, seinem Auditorium angedeihen ließ. „Die Vertrauten des Gründers dieser Stadt, Jean de la Valette, wollten eine kleinere Stadt errichten, in der ausschließlich Ritter gepflegt werden sollten, die während der Kreuzzüge verletzt wurden. Die Erhebung auf der Valletta errichtet wurde, ist auf einer Landzunge positioniert, die eine Bucht teilt, aus der später die beiden Becken des Hafens entstanden sind.“ Dieser Ort hebt sich durch seine Monumentalität von allen anderen Städten der Inselrepublik ab. Valetta, die Kapitale des geheimnisvollen Landes hat trotz der teilweise martialisch wirkenden Repräsentationsbauten, wie dem Fort St. Elmo, dem Großmeisterpalast oder der St. Johns Co-Cathedral, die alle aus dem für das Eiland typischen Globingerinenkalkstein errichtet wurden, einen sinnlich-verspielten Charakter, nichts Mächtiges oder Eindringliches hat die Geschichte hier zurückgelassen. Lustvolles Prominieren durch die Upper Barrakka Gardens wirkt durch die Vielfalt seiner außergewöhnlichen architektonischen Ideen wie eine Art Garten Eden in dem man der Muse gerne freien Lauf lässt. Ein einzigartiger Blick auf die Hafenbecken der Stadt, Torbögen, leise plätschernde Springbrunnen laden zum Verweilen und Träumen ein. Just dort kam es zu einem Gespräch mit dem wichtigsten zeitgenössischen Philosophen des Landes, Joe Friggieri: „Unser kleines, manchmal seltsam anmutendes Paradies ist eine Art Brückenpfeiler zu Europa, ein kultureller Wegweiser zum großen alten Kontinent,“ bringt es der Gelehrte treffend auf den Punkt.
Szenenwechsel: Valetta versinkt langsam im Rückspiegel, der Weg zur Quelle aller Häuser auf Malta, dem Steinbruch beim Städtchen Siggiewi dauert noch etwas. Der kleine Wagen quält sich über die unebenen und kurvigen Landstraßen. Dem jungen Paar vom ersten Abend, die eine Nacht im havarierten Gefährt am Straßenrand verhindert haben, war es ein Bedürfnis dieses stille Juwel in Gesellschaft ihrer neugierigen Gäste zu besuchen. Die erhabenen beigen Kalkwände des Steinbruches, der jetzt als Freilichtmuseum geführt wird, sind die, anscheinend für die Ewigkeit geschaffenen Wahrzeichen dieses Ortes. Ein älterer Mann hantiert an einer Motorsäge. Es wird für für Minuten unendlich laut – das Gehör wird bis aufs Äußerste strapaziert. Ein Block purzelt auf die Erde. Der Brocken Kalkstein zieht die Blicke seiner Betrachter für Sekunden magisch an. Der Wind spielt mit den Haaren, das Meer schäumt tief unten wild und weiß. Mit Klippen assoziiert man Tiefe, Stürzendes, für immer Verschwindendes. Anders ist es an den Dingli Cliffs, irgendwie nahezu idyllisch. Strauch- und Baumgruppen, kleine Wiesen. Jetzt gilt es rasch ein Plätzchen für ein Picknick zu finden... Eine Decke wird ausgebreitet. Der gekühlte Weißwein plätschert etwas träge in die polierten Gläser. Der Blick schweift an den Horizont. Wasser und Himmel treffen einander. Nahezu unberührte Naturlandschaften faszinieren ebenso wie die Vielzahl an Wahrzeichen europäischer Hochkultur. In diesem Ambiente wirkt Maltesisch, die Landessprache wie eine Art Lebenselixier.
Fotocredits: MTA, MTA-Andreas Hub, Viewingmalta, Viewingmalta, MTA-Chen Weizhong